Unsere Zeit in Ho-Chi-Minh-Stadt war kurz, doch wir hatten alles gesehen, was wir sehen wollten und so langsam wurde es Zeit, für ruhigere Orte, mehr Natur und mehr Meer! Es gibt verschiedene Möglichkeiten in Vietnam von einem zum anderen Ort zu gelangen. Doch nur eine Möglichkeit, die es sowohl erlaubt, viel vom Land zu sehen, als auch gleichzeitig zu entspannen: eine Zugfahrt! Es gibt genau eine Zuglinie, welche die größte Stadt im Süden (Ho-Chi-Minh-Stadt) mit der Hauptstadt im Norden (Hanoi) verbindet. Dafür benötigt der Zug durchschnittlich 38 Stunden. Da wir es jedoch keineswegs so eilig hatten, suchten wir uns ein paar Zwischenstopps heraus, wo wir das Land noch näher kennenlernen wollten. Der erste Stopp war die alte Kaiserstadt und einst Hauptstadt des Landes, Hue. Es dauerte genau 23 Stunden, um dieses Ziel zu erreichen. Mit gepackten Rucksäcken stiegen wir um 15:00 Uhr in den Zug und sollten am nächsten Tag gegen 14:00 Uhr ankommen.
Im Zug gibt es, wie wir es auch aus Deutschland kennen, normale Sitzabteile mit Panoramafenstern, die es tagsüber ermöglichen, genug Sonnenlicht in den Wagon zu lassen. Die meistens Wagons dieses Zuges bestanden jedoch aus Schlafabteilen – kleine Räume, wo vier bis sechs Betten für die entsprechende Anzahl an Reisenden vorgesehen sind. Wir ergatterten zwei Plätze für ein vierer Abteil, worüber wir sehr froh waren, denn im sechster Abteil ist es so eng, dass man auf seinem Bett nicht einmal richtig sitzen kann.
In den ersten Stunden hatten wir das Abteil für uns, die Betten unter uns blieben noch frei. Wir verbrachten die Zeit mit Tagebuch schreiben, quatschen und aus dem Fenster schauen. Die Landschaft veränderte sich schnell. Wo es einst noch so flach und urban war, zogen nun kleine Dörfer, Reisfelder und Berge am Fenster vorbei. Berge!!! Oh wie hatten wir diese vermisst. Der Anblick auf die unebene Landschaft war Balsam für die Seele.
Pünktlich zum Sonnenuntergang kamen zwei Männer vorbei, die für jeden hungrigen Magen etwas Reis, Gemüse, Fleisch und Suppe verteilten. Es kostete uns umgerechnete nur ein paar Euro und wir konnten unser erstes Mahl im Schlafabteil eines Zuges genießen. Sowas haben wir noch nie erlebt – Ein einzigartiger Moment!
Diese Zugfahrt wurde schnell zu etwas ganz Besonderes für uns. Nicht nur die malerische Landschaft, sondern auch das Gefühl wieder “auf Reisen” zu sein, wird wohl für immer besonders bleiben. Ohne es zu wissen, nutzen wir die letzten Stunden zu zweit und spielten ein paar Runden Karten, während die Sonne hinter den Bergen verschwand und es immer dunkler wurde.
Wir machten an kleineren sowie größeren Orten Halt, überall stiegen Einheimische aus oder zu. Ständig war Trubel auf den Gängen, doch das interessierte uns nur wenig – wir blieben ungestört in unserem kleinen Schlafabteil mit Klimaanlage. Was für ein Luxus!
Als wir es uns gerade in unseren schmalen Hochbetten gemütlich machten, stieg eine ältere vietnamesische Dame zu und kam in unser Abteil. Sie begrüßte uns freundlich und wir plauderten ein wenig, während sie es sich unter Bruno´s Bett gemütlich machte.
Wir erwarteten nicht viel von einer Nacht auf einer sehr harten, schmalen Matratze im dazu noch fahrendem Zug. Immer wieder kam das Halt-signal und wir wurden unsanft aus dem Schlaf gerissen. Es stiegen Menschen aus und ein, die Klimaanlage war sehr kühl und das Klappern der Wagons übertönte alle anderen Geräusche. Gegen Mitternacht stieg noch ein Mann in unser Abteil. Während er sich bemühte, keinen Mucks von sich zu geben, gab seine Familie beim Verabschieden Vollgas und weckte auch alle anderen im Abteil. Dank unseren kuschlig warmen Schlafsäcken und der Ohropax, die in keinem Reisegepäck fehlen sollten, war die Nacht ganz okay und wir bekamen zumindest ein paar Stunden erholsamen Schlaf ab. Nun ja, das gehört eben zum Abenteuer Weltreise dazu!
Als wir in den frühen Morgenstunden vom Trubel geweckt wurden, hatten wir kurz Angst, verschlafen zu haben. Alle waren wach, plauderten auf den Gängen, die ältere Dame und der Mann in unserem Abteil hatten schon alles zusammen gepackt, das Bett gemacht und das erste Bier geöffnet. Wie spät konnte es nur sein!? Schnell schauten wir auf unsere Handys… 06:30 Uhr! Wie bitte!? Es war erst 06:30 Uhr? Puh, zum Glück nicht verschlafen! Doch warum sind alle schon so hellwach??? 😀 Bis heute haben wir nur Vermutungen, doch keine klaren Antworten! 😀
Am Vormittag schauten wir schlummernd aus dem Fenster und erblicken das ein oder andere Mal sogar das Südchinesische Meer. Immer mal wieder mussten wir uns die Nasen zuhalten, da ein unerträglicher Durian-Geruch vorbeizog. Durian – die berühmte Stinkfrucht, erinnert ihr euch an sie? Pfui! Am liebsten wären wir aufgestanden und hätten den Übeltäter ausfindig machen wollen, doch dann wären wir dem Geruch nur noch näher gekommen und das hätten wir nicht ertragen! 😀
Gegen 14:00 Uhr kamen wir in der alten Kaiserstadt Hue an und entschieden uns dazu, nach all dem Liegen und Sitzen, die 40min bis zur Unterkunft zu laufen. Mit einem 20kg schweren Backpack und einem 6kg schweren Tagesrucksack vor der Brust, ist dies für uns immer eine kleine Sporteinheit, doch man gewöhnt sich daran. 🙂
Macht’s gut ihr Lieben, wir erkunden nun erstmal in Ruhe die Altstadt und das Meer. 🙂 Euch einen schönen Feiertag heute!