The happy road – Die glückliche Straße
Am dritten Tag unseres Rollerabenteuers sollten wir mehr über die Geschichte der Route lernen. Dafür ging es zu einer Gedenkstätte, die sich direkt am Ha Giang Loop auf einem Bergpass befindet. Während Vietnam in Nord und Süd geteilt war und sich im Krieg mit Amerika befand, wurde hoch oben im Norden die Ha Giang Straße erbaut. Damals war sie die einzige Straße, die es in den Bergen ermöglichte, Dörfer und größere Orte miteinander zu verbinden. Daher nennt man sie auch die ,,Happy Road”, weil dank ihr für die Bauern das Tor zur Außenwelt geschaffen wurde. Von dort an mussten sie sich nicht mehr nur von Mais und Reis ernähren, sondern konnten in größeren Orten einkaufen und auch ihre Waren verkaufen. Die Straße brachte also genug Ressourcen und Geld ins Inland. Besonders bemerkenswert ist die Entstehungsgeschichte der Straße. Die Menschen hatten keine Maschinen und Baufahrzeuge, um eine gerade, asphaltierte Straße zu errichten, das wäre ja auch zu einfach gewesen! Im Gegenteil… mit bloßer Menschen- und Viehkraft wurde jeder Meter der Ha Giang Straße erbaut und kostete dabei einige Menschenleben. Neben den körperlichen Strapazen, mussten sie auch den Umgang mit der Waffe lernen, schließlich herrschte zu dieser Zeit Krieg in ihrem Land. Es waren alles andere, als einfache Arbeitsbedingung für die vielen Arbeiter und Freiwilligen, die bei diesem Projekt geholfen haben. Als Ehrung und aus tiefster Dankbarkeit wurde daher diese Gedenkstätte errichtet. Wir waren sehr dankbar diesen Ort besucht zu haben und nun mehr über die Entstehung der Straße, über die wir aktuell fahren, zu wissen.
Originalaufnahmen vom Straßenbau 1663
Hoch hinaus & tief hinab
Wie auch in den vergangenen Tagen, führte die Strecke serpentinenartig über den ein oder anderen Bergpass, sowie durch viele Täler. Besonders beeindruckend war die Meo Van – Pa Vi Schlucht, durch die ein smaragdgrüner Fluss hindurchfließt. Die Landschaft in Vietnam toppt wirklich alles bisher Gesehene!
Holprige Angelegenheit
Die heutige Strecke hatte es ganz schön in sich! Es war sehr warm und die Sonne meinte es wieder besonders gut mit uns. Hinzukamen die schlechten Straßenverhältnisse, die uns besondere Achtsamkeit abverlangte. Im Minuten-Takt hörte ich Bruno sagen: “Achtung Loch!” und anhand Mama´s Position auf dem Rücksitz des Rollers, konnte ich erkennen, dass auch ihr Rücken mit den ständigen Einschlägen zu kämpfen hatte. Wir rauschten durch so einige Baustellen und waren am Ende einfach nur noch froh, auch diese Herausforderung gemeistert zu haben.
M wie malerisch schön!
Die Landschaft in den vergangene Tagen verzauberte uns von Berg zu Berg mehr. Die tiefen Schluchten, dichten Wälder und allgegenwärtigen Plantagen ließen uns ununterbrochen staunen. Es lohnte sich, die ein oder andere Pause einzulegen und auf die letzten Kilometer der Strecke zurückzublicken, denn nicht nur die Natur, sondern auch die Straße, ließ viel kreativen Freiraum. Mal eine S-Kurve, die von oben wirklich wie der Buchstabe S aussah, oder dort ein M, welches man nur von der Draufsicht erkennen konnte, schmückten die so schon wunderschöne Natur nur noch mehr.
Hochzeitsmahl
Auch wenn Abendbrot und Mittagstisch meistens ziemlich gleich aussahen, schmeckte es uns stets sehr gut und wir bekamen nicht genug von dem reichhaltigem Gemüse, Fleisch und nicht zu vergessen: Reis! Leider ist dieses Essen, wie wir es auf den Tisch gestellt bekamen, keineswegs normal für die Menschen im Norden Vietnams. Tong, der vom Mong Volk abstammt und dort viele Jahre lebte, erzählte uns, dass die Mahlzeiten dort früh, mittags und abends gleich aussehen und meistens nur aus Mais, Reis und anderem Gemüse bestehen. Fleisch ist besonders und teuer, ebenso wie Eier, und werden daher nur selten verzehrt. So einen vollgepackten Tisch, wie wir ihn hatten, gibt es in seinem Volk nur zu besonderen Anlässen, wie einer Hochzeit. Die verschiedenen Gemüsesorten, das zarte Fleisch und natürlich eine ordentliche Portion Reis wurden in die Mitte des Tisches platziert und anschließend von Tong verteilt. Es gab stets zwei Löffel Reis, auch wenn man gar nicht mehr so viel essen wollte. Denn eine Weisheit in Vietnam besagt: Ein Löffel ist für die Toten, zwei Löffel für die Lebenden und der dritte Löffel ist für den Hund! An diese Weisheit hielten wir uns von nun an bei jeder Mahlzeit. Das Essen schmeckte hervorragend und wir waren sehr dankbar, so viele Köstlichkeiten genießen zu dürfen.
Können wir die Zeit anhalten?
Während wir diese Zeilen hier tippen, ist die Motorradtour schon ganze zwei Wochen her, doch noch immer schweben wir in den Erinnerungen dieses Abenteuers und spüren die Kraft, die uns diese Erfahrungen gegeben haben. Es gibt Momente im Leben, und ich bin mir sicher, die hat jeder von uns, wo man einfach die Zeit anhalten möchte, damit dieses Gefühl, welches man in diesem Moment verspürt, nie vergeht! Nun können wir zwar diesen Moment genießen und ihn versuchen so richtig lange auszukosten, doch die Zeit dreht sich weiter, der Moment geht mit ihr und neue Momente folgen. Doch etwas sehr Kostbares haben diese magischen Momente dennoch! Wir können sie aufsaugen und in unserem Herzen speichern. Sicherer als jede Festplatte der Welt, sind die Erinnerung, die wir in uns tragen und die uns nichts und niemand mehr wegnehmen kann! Genau so einen Moment hatte ich auf dieser Reise… Mama & Papa, Bruno, das verdammt gute Wetter (obwohl ich doch vorher so über die Wettervorhersage gemeckert habe 😀 ) und all diese Bilder vor meinen Augen, die kein Künstler der Welt schöner malen hätte können. Ich atmete ein, langsam wieder aus und speicherte genau dieses Gefühl tief in meinem Herzen ab. Für immer.
Luxuspott im Bauerndorf
Am Nachmittag kamen uns auf einer steilen Bergstraße duzende Kinder freudestrahlend entgegen. Huch, wo kommen die denn auf einmal alle her? Tong erklärte uns, dass die Schule aus ist und all diese Kinder täglich den Heimweg allein bestreiten müssen. Die Eltern und Großeltern sind mit der Feldarbeit und Viehzucht beschäftigt, sodass keine Zeit bleibt, die Kinder täglich zur Schule zu bringen und wieder abzuholen. Die meisten von ihnen müssen täglich pro Strecke 5 bis 10 Kilometer über Berg und durchs Tal bewältigen. 5 bis 10 Kilometer !!! Könnt ihr euch das vorstellen? Jeden Tag, hin und zurück, bei jedem Wetter und jeder Laune! Und ich habe damals über die 20 Minuten Fußweg vom Bahnhof nach Hause gegrummelt… Die Uhren ticken hier noch etwas anders, doch wir hatten keineswegs das Gefühl, dass es ihnen keinen Spaß machen würde. Immerhin waren sie nicht allein und konnten den Weg mit anderen Schulfreunden spielerisch gestalten. Vorsichtig mussten sie dennoch sein, schließlich ging es direkt neben der Straße einen steilen Abgang hinunter!
Bei unserem letzten Halt an einer alten französischen Ruine, lernten wir weitere Kinder kennen, die uns mindestens genauso interessant fanden, wie wir sie. Nachdem wir die Kinder mit bunten Lollys versorgt hatten, kamen wir noch gerade richtig in der letzten Unterkunft an, kurz danach setzte nämlich ein kurzer, knackiger Regenschauer ein. Ich fiel aus allen Socken, als ich die Unterkunft betrat! Uns erwarteten luxuriöse Holzhütten mit eigenem Bad und bequemen Betten. Doch die Kirsche auf der Sahnetorte war der große Pool mit Blick auf die Bergkulisse! Wow… sowas haben wir wohl alle nicht erwartet, als wir das Dorf durchquerten und nur eine Straße weiter, hier zu dieser Unterkunft abbogen! Wir ruhten uns ein wenig aus und genossen eine Abkühlung im Pool. Dann verbrachten wir den letzten Abend mit unserem Guide Tong und bedankten uns bei ihm für ein wirklich einzigartiges Abenteuer.
Kaum zu glauben, dass mit dem morgigen Tag das Motorrad-Abenteuer zu Ende ist… Nach wie vor sind wir einfach nur glücklich und dankbar, diese Erfahrung mit Mama & Papa zu teilen und so eine unvergessliche Zeit gemeinsam zu genießen. Es macht ziemlich viel Arbeit, all diese Bilder, Videos und die richtigen Worte für unsere Erlebnisse zu finden, doch am Ende können wir, dank des Reiseblogs, auch selbst zurückblicken und uns immer wieder in diese schöne Zeit zurückbeamen. 🙂