Traue nie dem Wetterbericht
Die vergangene Nacht war sehr lang, das hatten wir aber auch bitter nötig! Es ging also putzmunter und nach einem leckeren Pancake-Frühstück rauf auf die Motorräder und rein ins gute Wetter! Japp, ihr seht richtig, die 100% Regenwahrscheinlichkeit vom Wetterbericht trafen uns am zweiten Tag 100% nicht! Bei strahlendem Sonnenschein und leichten Schäfchenwolken hatten wir perfekte Sicht auf die saftig grünen Bergketten von Vietnam. Besser hätte es nicht laufen können!
Auch heute führte uns der Weg wieder durch das ein oder andere Dorf, sowie hoch hinaus zu tollen Aussichtspunkten. Von diesem konnten wir die Serpentinen sehen, welche wir gerade befahren hatten. An vielen der Haltepunkte warteten schon neugierige Kinder, die uns Blumen in die Haare flechten wollten oder einen zum Spielen aufforderten.
Aufgepasst, der König dielt mit Drogen
Weiter ging es zu einem Schloss aus dem Jahre 1907, in dem der König von dieser Region lebte. Vuong Chinh Sinh hatte es geschafft, vier einst voneinander unabhängige Regionen zu vereinen und somit den Angriff der Chinesen und Franzosen abzuwehren. Das Volk gab ihm Opium, welches er durch klugen Handel in viel Geld ummünzte. Somit gelang es ihm, ein für damalige Verhältnisse prunkvolles Anwesen zu erbauen. Dort lebten später auch seine Nachkommen bis zum Jahre 2008. Von dort an wurde das Schloss teilweise renoviert und dient nun der Anschauung für Besucher aus aller Welt. Wir konnten uns das gesamte Schloss anschauen, von Wasserspeicher bis zum Wachturm war alles frei begehbar.
Nachdem wir wieder in einer Kantine zu Mittag aßen, ging es gestärkt weiter. Doch zunächst schlenderten wir ein wenig durch das Dorf, wo wir zufällig den einheimischen Kindern bei der Schulgartenarbeit zuschauen durften. Während die Lehrer kontrollierend daneben standen und sich von den Kindern mit Süßigkeiten verköstigen ließen. Die kleinen Fleißbienen hatten spürbar Freude am Haken und Unkraut jäten. Ob in zu großen Latschen oder einfach barfüßig tapsten sie von A nach B. Wir konnten gar nicht hinschauen, als sie mit einer Leichtigkeit die Sichel von rechts nach links schwenken mussten. ,,Sowas gäbe es in Deutschland nicht!”, hörte ich Mama & Papa erschrocken sagen. 😀
China!
Das Highlight des heutigen Tages sollte der Blick nach China sein. Der Ha Giang Loop, auf welchen wir uns aktuell befinden, ist nämlich an einigen Stellen nur wenige Kilometer vom viertgrößten Land dieser Welt entfernt. Die 1.500 Kilometer lange, elektrisch verstärkte Ländergrenze erstreckt sich sowohl durch bewohnte Gebiete, als auch durch den nahezu unberührten Dschungel. Es ist quasi unmöglich, illegal das Land zu verlassen und China zu passieren! Nachdem Papa sich im wohl grenznächsten Dixieklo Vietnams verewigte, ging es noch ein Stückchen weiter zum Aussichtsturm mit der größten Flagge Vietnams. Sie umfasst Sage und Schreibe 58 Quadratmeter und repräsentiert somit die 58 Provinzen des Landes. Die vielen Treppenstufen lohnten sich, denn von oben konnte man Vietnam und China erblicken! Für einige Vietnamesen war der sensationelle Ausblick nicht annähernd so spannend, wie Mama & Papa! Und so kam es, dass ein süßer Opi uns fragte, aus welchem Land wir kommen. Als er “Deutschland” hörte, war er vollkommen aus dem Häuschen und bat, zusammen mit seiner Frau, um ein Foto mit Mama & Papa. Überrascht grinsten sie in die Kamera – sowas ist den beiden auch noch nicht widerfahren! 😀
So viele Kinder!
Einer Motorradpause folgte der Nächsten und wir wunderten uns wohl alle, wie wir täglich die 100 Kilometer vor Sonnenuntergang meisterten. Doch die Pausen sorgten dafür, dass wir mit dem Leben hier auf den Dörfern in Berührung kamen. Wir lernten die Menschen kennen, spielten mit den Kindern und unterstützten lokale Cafés, indem wir bei ihnen etwas zu Trinken kauften. Ebenso konnten wir unseren Rücken etwas entlasten und uns die Beine vertreten. Während Mama mit den Kindern schaukelte, kletterten Papa und Bruno eine schroffe Felswand hinauf, wodurch Tong voller Sorge fast das Herz stehen blieb. Ihr merkt schon… es wurde nie langweilig bei uns! 😀
Die Straßen auf dem Ha Giang Loop sind größtenteils asphaltiert und daher gut zu fahren. Manchmal wurde es jedoch zur kleinen Herausforderung, wenn plötzlich aufgrund eines Erdrutsches die Straße schmaler wurde, oder die Schottersteine so riesig waren, dass wir beim Fahren aufpassen mussten, nicht wegzurutschen. Ein Glück ging immer alles gut und wir kamen unfallfrei davon! Wenn gleich unser Rücken so einige tiefe Schlaglöcher verkraften musste. Der heutige Tag rollerte sich besonders gut weg, das Wetter blieb auf unserer Seite, die Luft war angenehm erfrischend und hinter jedem Berg wartete eine neue malerische Fotokulisse darauf geknipst zu werden. Achso, und was ich unbedingt noch erwähnen wollte: auch ich durfte ans Steuer und bin zum ersten Mal mit Schaltung Motorrad gefahren! 🙂 Der Gedanke, in Deutschland das Auto gegen ein Zweirad einzutauchen, gefällt uns mittlerweile immer mehr!
Kurz bevor wir am heutigen Nachtquartier ankamen, konnten wir noch einen zweiten Blick auf die Ländergrenze und die chinesische Seite werfen. Noch bevor die Sonne hinter den Bergspitzen verschwand, machten wir bei einem mehrere Hundert Jahre altem Baum Halt. Papa konnte es nicht lassen und fing direkt an auf den Baum hinaufzuklettern – Tong und Bruno machten es ihm nach und kletterten den Riesen so einige Meter hinauf. Rauf kommt man immer leicht, doch wie sieht es mit runter aus?
Karaoke an jeder Ecke!
Zusammen mit anderen Motorradreisenden, teilten wir uns die heutige Unterkunft. Nachdem Tong uns wieder mit den besten Leckereien und ausreichend Schnaps verköstigte, ging es nochmal in die Innenstadt von Dong Van, wo ein buntes Nachtleben herrschte. Auf dem Marktplatz konnte man lustige Spiele ausprobieren und mit den Menschen in Kontakt treten. Während Mama & Papa ihre Fähigkeiten im Gummihüpfen auspackten, lernten wir Lunar kennen. Obwohl Lunar erst 13 Jahre jung ist, weiß sie schon genau, was sie will und wo sie sich in 10 Jahren sieht. Sie möchte noch mehrere Sprachen lernen, Englisch beherrscht sie schonmal sehr gut! Außerdem träumt sie davon nach Deutschland auszuwandern. Obwohl auf dem Marktplatz um uns herum ein reges Treiben herrschte, war uns das plötzlich alles egal. Wir gesellten uns zu Lunar auf den Fußboden, sie erzählte uns voller Begeisterung ihr Vorhaben und wir hörten ihr einfach nur zu. Mir kamen die Tränen, als ich plötzlich eine tiefe Verbundenheit zu ihr spürte. Bruno erging es ähnlich und beide wünschten wir uns von ganzem Herzen, dass all ihre Träume war werden würden. Wir gaben ihr unsere Kontaktdaten und hoffen, dass sie sich vielleicht eines Tages bei uns meldet, wenn sie es nach Deutschland geschafft hat.
Am Ende des Abends landeten wir in einem Karaokeschuppen, wo Mama und ich noch ein wenig zu ABBA tanzten und laut stark mitsangen. Karaoke findet man hier wirklich in jeder Kneipe! Manchmal haben sogar kleine Supermärkte einen Lautsprecher und zwei Mikrofone! 😀
Ein sehr schöner Tag auf dem Ha Giang Loop und damit die Hälfte der Tour neigte sich dem Ende zu… Doch lassen wir nochmal Revue passieren! Film ab…