Insel-Radtour bei Onomichi

Vorsicht, Kopf einziehen!

Am späten Nachmittag des 19. August erreichten wir Onomichi, eine Stadt am Seto-Binnenmeer, deren Ruf als wichtiger Hafen- und Handelsort weit über die Region hinaus bekannt ist. Mit ein wenig Rest-Whiskey aus Kyoto im Blut schlenderten wir durch die Straßen zu unserem Hostel, das für die kommenden zwei Nächte unser Zuhause sein sollte. Onomichi ist berühmt für seine verwinkelten, teils düsteren Gassen, die sich durch die gesamte Stadt mit ihren 130.000 Einwohnern ziehen und einen ganz eigenen Charme versprühen.

Bei unserer Ankunft regnete es in Strömen. Die Straßenlaternen waren bereits eingeschaltet und warfen ihr sanftes Licht auf das Kopfsteinpflaster, das in dunklen Pfützen glitzerte. Der Charme der Stadt blieb uns noch verborgen, aber die mystische, beinahe geheimnisvolle Stimmung war allgegenwärtig. Die engen Gassen waren menschenleer, die Rollläden der kleinen Läden heruntergelassen, und wir suchten vergeblich nach einem geöffneten Restaurant. Der einzige Klang, der die Melodie der Regentropfen durchbrach, war das klagende Miauen einer Katze am Straßenrand. Es war noch nicht spät, doch die Gegend erweckte nicht den Eindruck, als ob hier selbst tagsüber viel los wäre.

Zum Glück gab es einen Ort, der noch geöffnet hatte: unser Hostel, das “Guesthouse Anagononedoko”, inmitten in einer verlassenen Einkaufsstraße gelegen. Durch eine schmale Gasse fanden wir den Eingang, der so niedrig war – nur etwa 1,50 Meter hoch, dass wir uns bücken mussten. Dahinter lag eine winzige Rezeption, in der der Mitarbeiter nur hockend Platz nehmen konnte. Doch was an Größe fehlte, wurde durch Charme wettgemacht. Die Wände waren liebevoll mit alten Polaroidbildern und den Malereien früherer Gäste geschmückt, eine gemütliche Spielecke lud im Aufenthaltsraum zum Verweilen ein. Hier fühlten wir uns sofort wohl und bezogen unsere Betten im stimmungsvollen Bibliothekszimmer.

 

Rauf auf´s Rad!

Der eigentliche Grund unseres Besuches in Onomichi waren jedoch nicht die vermeintlich charmanten und gleichzeitig düsteren Gassen, sondern vielmehr die Shimanami Kaido, eine 70km lange Fahrradroute, die sich über 6 Inseln erstreckt und über faszinierende Brücken führt. Dieser Herausforderung wollten wir uns heute stellen. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen und die Sonne kam wieder raus. Nach einem typisch japanischem Frühstück im Hostel, bestehend aus Onigiri (Reisbällchen) einer Miso-Suppe, Banane und Grüntee, ging es gestärkt zum Fahrradverleih.

Mit etwas harten Satteln unterm Hintern, startete die Tour. Zunächst ging es jedoch bequem mit der Fähre auf die erste der sechs Inseln namens Mukaishima. Dort startete die Route bei Kilometer 0 von 70. Wir konnten uns von Anfang an auf die Landschaft fokussieren, eine Karte war nicht von Nöten, da man einfach nur der blauen Linie auf dem Boden folgen musste. Perfekt für so orientierungslose Menschen wie Robert & mich. 😀 

Auf der ersten Insel führte uns der Weg entlang des Hafens und durch eine Wohngegend. Wir waren überrascht, wie viele Menschen auf dieser kleinen Insel lebten. Die Wolken schützen uns vor der sonst so erbarmungslosen Sonne und der Fahrtwind machte die 35 Grad etwas angenehmer. Es machte richtig Spaß, mit dem Fahrrad die Gegend zu erkunden. Palmen, Oleander und Rosensträucher schmückten den Wegesrand. Flora und Fauna haben sich im Laufe der Zeit von Hokkaido bis hierher nach Onomichi schon deutlich verändert. Wir waren nach wie vor beeindruckt von der Vielfältigkeit dieses Landes.  

Obwohl der Radweg während der gesamten Tour überwiegend flach ist, hatten es die Brücken wirklich in sich! Um auf die Brücken zu gelangen, mussten wir vor jeder einzelnen einen steilen, serpentinenartigen Anstieg bewältigen. Diese schmalen Wege schlängelten sich jedes Mal durch ein dichtes, beinahe dschungelartiges Gelände. Was bis dahin noch nicht klitschnass geschwitzt war, tropfte spätestens, als wir die Spitze erreichten. Doch die frische Meeresbrise, die uns auf den kilometerlangen Brücken empfing, machte den Aufstieg wieder ein wenig erträglicher.

Auf der nächsten Insel genehmigten wir uns ein leckeres Zitroneneis. Zitronen werden hier, Dank des wunderbaren Klimas auf den Inseln, überall angebaut. Die Sonne schummelte sich im Laufe des Nachmittags immer häufiger aus den Wolken hervor und es wurde unerträglich warm. Das Meer und der Badestrand kam daher wie gerufen! Wir entschieden uns kurzerhand gegen die gesamte Strecke und legten bei Kilometer 30 einen Halt ein. Bruno und ich hüpften ins angenehm kühle Meer und Robert genehmigte sich einen Dusche am Strand. Zu unserem Glück gab es genau hier eine Fahrrad-Abgabe-Station, bei der wir ohne weitere Kosten einfach die Drahtesel abstellen konnten. Perfekt! Mit dem Bus ging es die vorher mit dem Fahrrad gefahrene Strecke zurück auf´s Festland. 

Wir können die Strecke wirklich sehr empfehlen. Neben einem authentischen Einblick, wie die Menschen hier auf den Inseln leben, hat man stets auch eine atemberaubende Aussicht auf die Küstenstrecke, die umliegenden Inseln und Onomichi. Vielleicht kehren wir eines Tages zurück und fahren die noch fehlenden 40km… wer weiß! 🙂 

Am Abend probierten wir Onomichi-Ramen. Mittlerweile wissen wir, dass Ramen nicht gleich Ramen bedeutet. Je nach Region, ja teilweise in jedem kleinen Örtchen, gibt es eine eigene Kreation des Ramen-Gerichtes. in Onomichi besteht das Nudelgericht aus einer klaren Sojabrühe, die aus Hühnerknochen und verschiedenen Fischbrühen hergestellt wird. Das Besondere an der Brühe ist die Zugabe von Schweinefettstückchen, die beim Kochen abgeschöpft und anschließend in die Brühe gegeben werden. Genau das Richtige nach unser heutigen Sporteinheit!

Am nächsten Tag ging es für uns drei weiter zum nächsten und gleichzeitig auch letzten Stopp zu dritt. Für Robert geht es in wenigen Tagen wieder zurück nach Deutschland, doch vorher wollten wir noch die Stadt Hiroshima und ihre sehr emotionale Geschichte näher kennenlernen. Mehr dazu im nächsten Reiseblog, nun erstmal Film ab zum heutigen Radler-Abenteuer! 🙂 Viel Spaß! 

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