Bye bye Großstadt, hallo Dorf!
Am 07. August ging unsere Reise zu dritt weiter. Mit dem Bus ließen wir die Metropole Tokyo hinter uns und fuhren ins zwei Stunden entfernte Fujiyoshida, einem Örtchen mit Dorfcharakter direkt am Fuße des berühmten Mount Fuji, dem größten Berg Japans, gelegen. Zwar ist Fujiyoshida mit seinen knapp 46.000 Einwohnern keineswegs ein Dorf, aufgrund der Grundstücke mit Nutzgärten, den verlassenen Gassen und leerstehenden Gebäuden, sowie der umliegenden Landschaft, wirkte es auf uns jedoch sehr dörflich. Der Ort lockt jedes Jahr, besonders in den Monaten Juli bis August tausende Besucher von nah und fern an. Denn in diesen Monaten ist der knapp 4.000 Meter hohe Berg von Schnee befreit und man kann ihn problemlos besteigen. Naja, problemlos stimmt nicht so richtig, wenn man bedenkt, dass man ca. 1.500 Höhenmeter im steinigen Gefälle überwinden und sich dabei mit circa 4.000 anderen Menschen den Weg teilen muss. Das ist so gar nicht unsere Art des Wandern, daher entschieden wir uns kurzerhand gegen die Besteigung des Fujis! Den Anblick wollten wir uns dennoch nicht entgehen lassen, daher besuchten wir Fujiyoshida und hofften auf einen wolkenlosen Blick auf den Vulkan. Bei unserer Ankunft im Michael´s Hostel, welches sich nicht weit vom Bahnhof Fujiyoshida befand, versteckte sich der Berg noch vor uns und wir konnten nur an den Wolkenmassen, die ihn verdeckten, erahnen, wie gewaltig er sein muss.
Verstecktes Abendbrot
Noch am selben Abend begaben wir uns auf die akribische Suche nach einem offenen Restaurant. Das stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Gefunden haben wir genau eins! Ziemlich versteckt in einer verlassenen Gasse in einem Eckhaus wehten an der Eingangstür die Stofftücher im Wind. Ein gutes Zeichen, denn das bedeutet in Japan meistens: das Restaurant hat offen, herzlich Willkommen! Wir kehrten also ein, nahmen auf ganz traditionellen Tatamimatten am kleinen Tischchen Platz und durchstöberten die Speisekarte. Ein Glück können wir mittlerweile ein wenig japanisch und konnten uns bei der älteren Damen, die diesen Laden nicht nur besitzt, sondern auch gleichzeitig die Bedienung und die Köchin darstellte, einen heißen Ramen bestellen.
Gestärkt spazierten wir noch ein wenig durch die menschenleeren Straßen, alle Geschäfte und Restaurants waren bereits zu, nur noch die Straßenlaternen leuchteten uns den Weg. Am Ende der Hauptstraße entdeckten wir einen alten Schrein, der aus dem Zedernwald hervorragte. Ein wundervoller Anblick…
Steil hinauf bedeutet steil hinab
Am nächsten Tag starteten wir früh auf unsere heutige Mission: Die Besteigung des Mount Mitsutoge, einem 1.785m hohem Berg, besonders bekannt für seine atemberaubende Aussicht auf den Mount Fuji. Über die atemberaubende Aussicht sprechen wir später nochmal, nun aber erstmal rein in die Wanderstiefel und auf geht’s!
Unser Weg führte uns zunächst entlang der Reisfelder und Häuschen des Dorfes. Am Waldrand entdeckten wir einen weiteren uralten Schrein, umgeben von noch älteren Zedernbäumen. Die Bäume glichen den gigantischen Redwoods in Kalifornien, so massiv und hoch waren sie. Vom Schrein aus ging es hinein in den Mischwald, immer dem Fluss entlang, vorbei an kleineren und größeren Wasserfällen. Zu unserem Überraschen, waren wir die einzigen Wanderer zu diesem Zeitpunkt. Später begegneten wir noch einer Hand voll Menschen, doch das war es dann auch schon. Schnell wurde uns klar, es war die richtige Entscheidung, nicht den Menschenmassen auf den Mt. Fuji zu folgen, sondern lieber eine ruhige Wanderung in der Natur zu genießen. Die letzten Meter bis zur Spitze des Berges zogen sich enorm. Es wurde immer steiler und unsere Kraft ließ nach. Doch dann wurde es plötzlich sehr spannend! Ein Reh, welches direkt am Wegesrand lag, beobachtete uns und lief später mit etwas Abstand zu uns den Berg hinauf. Plötzlich raschelte es hoch oben in den Bäumen… ein Vogel? Nein, dafür raschelte es viel zu sehr! Vielleicht hatten wir Glück und sehen einen Affen, dachten wir… doch als das Tier den Baum hinunter kletterte, sahen wir, dass es viel zu groß und flauschig für einen hier vorkommenden Affen ist. Wir mussten zwei Mal hinschauen, bevor unser Atem kurz stoppte und wir uns sicher waren, was wir vor uns sehen: einen kleines Schwarzbären-Junges! Nun haben wir doch tatsächlich noch einen Schwarzbären gesehen. Erst der Grizzlybär in Kanada und nun einen Schwarzbären in Japan… Danke liebe Natur für dieses Erlebnis! Keine Sorge, der Schwarzbär war recht klein und wir hielten genügend Abstand. Nachdem er uns kurz musterte, flitzte er in die Tiefen des Waldes hinein. Während Robert und ich in eine kurze Schockstarre verfielen, zückte Bruno noch gerade rechtzeitig die Kamera – im Video könnt ihr euch selbst davon überzeugen, wie süß der kleine Flauschi war! 🙂
Nach vier Stunden erreichten wir erschöpft und hungrig die Spitze des Berges. Japp, ihr seht richtig – der Nebel versperrte uns die Sicht auf den Mt. Fuji, das Dorf und einfach alles, was man hätte sehen können. Doch nach so einer schönen Wanderung, kann uns der Nebel nun auch nicht mehr den Tag vermiesen! Wir packten also unsere Reisbällchen und die Müsliriegel aus und machten es uns auf den Felsvorsprung gemütlich. Die Wolken zogen in Sekundenschnelle an uns vorbei und ermöglichten uns so ab und zu mal einen kurzen Ausblick auf das Bergpanorama. Um noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Fujiyoshida am Hostel anzukommen, durften wir nicht ewig hier oben verweilen. Wir begaben uns also so langsam auf den Rückweg, der sich schwieriger als gedacht darstellte. Der Weg war steil und rutschig, wir mussten uns an Seilen festhalten, um Schritt für Schritt hinunterzuklettern. Zu allem Überfluss fing es auch noch zu regnen an und wir kamen pitschnass unten an. Doch dann brachen die Wolken plötzlich auf und es geschah etwas Wundervolles… Wir hatten eine atemberaubende Sicht auf den Mt. Fuji!
Nach gut 8 Stunden und 40.000 Schritten, kamen wir noch gerade rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit am Fuße des Berges an. Dort befindet sich auch die Chureito Pagoda, von der man ebenfalls einen tollen Blick auf den Berg genießen kann. Und da saßen wir nun, erschöpft, nass und dreckig mit vielen schönen Eindrücken, neben gut duftenden Urlaubern, die lediglich ein paar Treppenstufen hinauf steigen mussten, um diesen Anblick zu erleben.
Wow… Was für eine beeindruckende Wanderung, gefühlt durch alle Jahreszeiten! 😀 Es war eine tolle Erfahrung, gemeinsam mit einem guten Freund diesen Berg zu besteigen. Manchmal ist der Ausblick an der Spitze gar nicht das Wichtigste, sondern vielmehr die Erlebnisse während der Wanderung. Den kleinen Schwarzbären werden wir wohl so schnell nicht vergessen! Mal schauen, ob ihr den Vierbeiner im Video entdecken könnt… viel Spaß beim Wandern – Film ab!