Wie fängt man einen Blogbeitrag an, bei dem man nicht mal weiß, ob man ihn überhaupt veröffentlichen möchte?!
Ich schreib einfach mal drauf los, mal schauen, was dabei rauskommt.
Bevor wir die Weltreise angetreten haben, wussten wir, dass uns wundervolle Dinge widerfahren werden. Uns war auch bewusst, dass möglicherweise nicht so schöne Dinge passiere können. Ein verpasster Flug, eine merkwürdige Begegnung, Krankheit oder finanzielle Not. Man kann sich noch so gut auf eine Reise vorbereiten, wenn der Notfall eintritt, haut es einen trotzdem um. Und so passierte es auch uns.
Am 06.07.2023, einen Tag nach unserem Theorie-Tauchkurs, ging es für uns das erste Mal samt Taucherausrüstung ins Wasser. Bevor wir uns auf 18 Meter wagen, übten wir erstmal im 2 Meter tiefen Gewässer direkt bei der Tauchschule. Sämtliche Situation wurden simuliert und geübt. Wie nehme ich unter Wasser meine Atemmaske ab, wie atme ich und wie befreie ich meine Taucherbrille unter Wasser von Salzwasser. Beim Abnehmen der Atemmaske unter Wasser, ist es wichtig kontinuierlich und ruhig auszuatmen bis die Maske wieder im Mund ist. Anschließend atmet man noch kurz weiter aus, um das Mundstück von Salzwasser zu befreien, bevor man dann wieder Sauerstoff einatmen kann. So die Theorie.
Doch was ist nun passiert? Bruno absolvierte die Übungen, genau wie alle anderen, problemlos. Ich hingegen hatte bereits bei der dritten Übung Probleme. Ich nahm die Atemmaske unter Wasser ab, atmete kontinuierlich aus und nahm dann das Mundstück wieder in den Mund. Doch dann… Plötzlich hatte ich keine Luft mehr zum Ausatmen. Einatmen ging noch nicht, da sich noch Wasser im Mundstück befand. Ich geriet in Panik und musste einatmen, um nicht zu ersticken. Ich schluckte viel Sauerstoff, wirbelte um mich herum und wollte einfach nur auftauchen. Da ich mir nicht sicher war, ob ich einfach auftauchen kann (wir hatten gelernt, dass der Stickstoff nur durch langsames Auftauchen aus dem Körper entfliehen kann, doch trifft dies auch bei nur 2 Metern zu?), blieb ich noch weiter unter Wasser und versuchte mich zu beruhigen. Nach einigen Atemzügen, tauchte ich auf. Was ein Schock! Ich versuchte es noch zwei weitere Male, bis ich endgültig aufgab und aus dem Wasser ging. Nur kurz auf Toilette und dann versuche ich es einfach noch mal. So war mein Plan, doch dann kam alles anders.
Auf der Toilette fing ich plötzlich an zu weinen, ja sogar zu schreien. Ich verkrampfte und war nicht mehr in der Lage, meine Hände, Arme und meine Füße zu bewegen. Es fühlte sich an, als schoss eine dickflüssige Masse durch meine fast platzenden Adern. Es brannte und tat schrecklich weh. Auf einmal kam Laura, ein deutsches Mädchen in ungefähr meinem Alter auf mich zu. Sie legte mich auf den Boden und meine Beine auf einen Stuhl. Ich krampfte immer mehr und konnte mich nicht beruhigen. Einige Minuten später kamen immer mehr Menschen dazu, unter anderem auch Dr. Randy – der Inselarzt – wurde gerufen. Ich nahm alles nur ganz verschwommen war. Auf einmal waren auch Sophia & Bruno bei mir.
Dann ging alles ganz schnell und wir fuhren in die Ambulanz. Dort bekam ich direkt eine Sauerstoffmaske über den Kopf gezogen und einen Zugang über meine Vene am Arm. Mein Körper beruhigte sich allmählich, doch die Krämpfe in den Extremitäten wollten einfach nicht verschwinden. Ich realisierte in diesem Moment nicht, wie ernst die Situation schien. Sophia, Laura und noch eine andere Taucherin und gleichzeitig Krankenschwester namens Katie, blieben die ganze Zeit bei mir. Bruno bat ich, unbedingt den Tauchkurs weiterzumachen – es wäre einfach zu schade gewesen, wenn er den Kurs wegen mir auch abbrechen hätte müssen. Es vergingen mehrere Stunden in der Ambulanz. Ich wurde langsam echt müde und da ich immer noch meinen nassen Bikini trug, wurde es auch langsam sehr fröstelig. Ich bekam einen schicken Krankenhausanzug an und die Mädels versorgten mich mit Snacks. Ich war unglaublich dankbar, all dies nicht allein durchzustehen.
Mittlerweile waren acht Stunden vergangen. Bruno kam nach seinem Tauchkurs direkt zu mir. Ich war immer noch nicht in der Lage allein zu laufen oder meine Hände problemlos zu bewegen. Die ganze Zeit wägten Dr. Randy und auch Rebecca, ihr gehört die Ambulanz, ab, ob ich in die Dekompressionskammer muss.
Ich habe vermutlich immer noch mehrere kleine Stickstoffblasen in meinem Körper. Dies passiert eigentlich nur, wenn der Druckausgleich bei zu schnellem Auftauchen nicht stattfinden kann und eigentlich auch nur bei einer Tiefe ab 10 Metern. Dr. Randy kontaktierte das Divers Alert Network, um in den Austausch mit internationalen Fachärzten zu treten und fand heraus, dass es tatsächlich drei gelistete Fälle gibt, wo dies auch bei nur wenigen Metern unter Wasser passiert war. Daher stand die Entscheidung für Dr. Randy fest – ich muss in die Dekompressionskammer. Ich wollte dies nicht wahrhaben und hatte ebenso Angst, dass der ADAC diese Behandlung nicht übernehmen würde. Doch die Zeit rannte uns davon. Als Dr. Randy mir signalisierte, dass es keine Garantie gibt, dass ich ohne Kammer die Nacht überleben werde, saß der Schock tief. Ich entschied mich kurze Zeit später also für die einzige Überlebenschance und stieg um 20:40 Uhr in die 2 Quadratmeter große U-Boot-ähnliche Dekompressionskammer.
Sophia durfte mich als erfahrene Taucherin begleiten und aufpassen, dass ich während der Behandlung nicht einschlafe. So befanden wir uns also, zusammen mit Pippi-Beuteln und Wasserflaschen, in der Kammer – ich auf der Liege und Sophia direkt neben mir auf einer weiteren Matratze auf dem Boden. Schritt für Schritt wurden der Innendruck auf 18 Metern unter der Wasseroberfläche simuliert. Ich hatte eine Sauerstoffmaske auf und beide trugen wir Ohrenschützer, da der Druckausgleich ziemlich laut war. Bruno füllte derweil, zusammen mit Rebecca, alle wichtigen Unterlagen für die Versicherung aus.
Insgesamt befanden wir uns fünf Stunden in der Kammer. Nachdem wir bei 18 Meter Tiefe ankamen, durfte ich die Atemmaske für kurze Pausen immer mal wieder abnehmen. Durch das viele Wasser trinken, musste ich auch zweimal in diesen Pippi-Beutel pinkeln – wie unangenehm! Nach und nach ging es dann auf 9 Meter hoch. Ich bat Sophia, mir mehr aus ihrem Leben zu erzählen, während ich schweigend und mit hoher Konzentration durch die Sauerstoffmaske atmete. Unsere Stimmen hörte sich so anders an bei diesem Druck, dass wir anfangen mussten zu lachen.
Bereits nach 15 Minuten lösten sich meine Krämpfe und bis auf die Erschöpfung, ging es mir wieder gut! Die Dekompressionskammer war also die einzig richtige Entscheidung!
Die letzte Stunde wurde dann nochmal sehr hart. Sophia & ich wurden immer müder und die Sauerstoffmaske, die nun auch Sophia für die letzte Stunde tragen musste, machte das Wachbleiben nicht sonderlich leichter. Gemeinsam versuchten wir uns abzulenken. Da wir nun beide nicht mehr sprechen durften, verständigten wir uns mit Mimik & Gestik. Wir spielten Schere-Stein-Papier, ich massierte Sophia die Füße, wir hielten unsere Hände beieinander. Ich musste einige Male fest zudrücken, als Sophia die Augen schloss und nicht mehr kontinuierlich atmete.
Um 01:37 Uhr hatten wir es geschafft und durften die Kammer verlassen. Wir sind auf jeden Fall noch enger zusammengeschweißt in dieser Kammer. Ich bin und werde ihr für immer unendlich dankbar sein, dass sie all dies mit mir zusammen durchgestanden hat! Das macht eine wahre Freundschaft aus. Liebe Sophia, ich danke dir von Herzen!
Nachdem wir uns in den frühen Morgenstunden noch telefonisch mit der deutschen Bürokratie auseinandersetzen mussten und bestimmt fünf Mal den Satz “Das ist nicht meine Abteilung, ich leite Sie weiter.” gehört hatten, ging es ohne Schuhe, aber mit gelben Kuschelsocken ins nicht weit entfernte Krankenhaus. Hier verbrachte ich die Nacht unter Aufsicht. Ich schlief ganze zwei Stunden, bis mich mein schmerzhafter Muskelkater weckte. Mein Körper tat so doll weh, dass ich für 10 Meter bis zur Toilette ganze 5 Minuten benötigte, vom Hinsetzen und Aufstehen mal ganz zu schweigen. Ich bekam noch eine weitere Infusion gegen die Muskelschmerzen. Während der Tropf so langsam vor sich hin tropfte, kam Sophia mit frischer Melone vorbei. Gemeinsam lagen wir also auf dem kleinen Krankenhausbett, schnabulierten Melone und hörten Bibi Blocksberg. Danach ging zurück ins Hostelzimmer. Ich ruhte mich in den kommenden zwei Tagen weiterhin aus und versuchte die Muskelschmerzen auszuhalten. Doch wie sagt man so schön?! Spürst du Schmerzen, bist du am Leben.
Ich hatte noch nie in meinem Leben eine so lebensbedrohliche Situation, wo nicht klar war, ob ich sie überlebe. Es war schrecklich, das kann auch ich, als knallharte Optimistin, nicht schön reden. Ich bin dankbar. Dankbar für die schnelle Hilfe aller Personen um mich herum. Dankbar, dass es eine Dekompressionskammer auf dieser kleinen Insel gibt. Dankbar für die Wirkung und Heilung.
Nun geht es mir wieder gut und ich habe keine Schmerzen mehr. Das erste Mal Schwimmen im Meer fühlte sich beängstigend und falsch an. Als ich beim Duschen Wasser in mein Gesicht bekam, hatte ich kurz Panik. Doch all dies konnte ich bewältigen. Ich habe mich zusammen mit Bruno den Ängsten gestellt und gemeinsam haben wir auch dies überstanden.
So, nun ist dieser unendlich lange Beitrag zu Ende. Ich habe kurz überlegt… Soll ich all das mit euch teilen? Ist das nicht zu privat? Ich finde, dass es genau richtig ist, auch solche Erlebnisse zu teilen, denn auch das ist Teil unserer Weltreise. Es prägte uns, machte uns stärker und dankbarer.
Es war mir ein inneres Blumenpflücken neben dir in einen Pott zu pinkeln und zu Bibi Blogsberg im Krankenhaus zu ratzen ❤️ Nein ehrlich Gena, ich bin froh, dass es dir wieder gut geht und immer noch beeindruckt von deinem riesen Optimismus die ganze Zeit. Hab dich dolle lieb! ????
Ich werde das nie, nie, niemals vergessen!! Ich werde dir das niemals vergessen. ❤️ Du warst so mutig & ich bin noch immer so bewundert von deiner Selbstverständlichkeit mir all die Stunden bei zustehen. Danke für deine Freundschaft! ✨
Vielen Dank liebe Sophia, dass du in dieser Situation bei unserer Tochter warst. Wir hoffen sehr, dass wir dich mal kennenlernen. Bis dahin eine schöne Zeit. Uwe u. Heike
2025 treffen wir uns auf einen Kuchen!! 🙂 Danke für eure lieben Worte!!