7 Taiwaner & Wir

Hiroshima & Kobe

Nachdem wir alle zehn Strohhüte in der Präfektur Kumamoto gefunden hatten, verabschiedeten wir uns von der Insel Kyūshū und fuhren mit dem Fernbus zurück auf die Hauptinsel Japans, Honshū. Nach einem kurzen, zweitägigen Zwischenstopp in Hiroshima, den ich (Gena) nutzte, um meine verlorene Kette wiederzufinden, machten wir uns auf den Weg in die Hafenstadt Kobe. Diese liegt nicht weit von Osaka entfernt, und bei klarem Wetter kann man sogar die Skyline von Osaka erkennen.

In Kobe besuchten wir ein Sake-Museum, denn die Stadt ist neben dem berühmten Kobe-Rind auch für ihren ausgezeichneten Reiswein, Sake, bekannt. Aufgrund der hervorragenden Wasserqualität und des hochwertigen Reis soll der Sake in dieser Region besonders gut schmecken. Bei einer Verkostung konnten wir uns davon selbst überzeugen – besonders das Sake-Softeis war ein echtes Highlight!

Kobe hat uns wirklich gut gefallen. An unserem letzten Abend schlenderten wir am Hafen entlang und trafen dabei die beiden Philippinos Kyl und Flora, die seit vielen Jahren in New Jersey leben. Was als einfaches “Hey, könnt ihr kurz ein Foto von uns machen?” begann, entwickelte sich zu einem langen, intensiven und wunderschönen Gespräch. Wir unterhielten uns so lange, dass die Sonne bereits hinter den Gebäuden verschwand.

Sonnige Grüße aus Kobe

Zu Besuch bei unserer taiwanesischen Freundin Lee

Am 6. September verabschiedeten wir uns von Kobe und machten uns mit gepackten Rucksäcken auf den Weg zum Shinkansen-Bahnhof. Ein letztes Mal mit dem Hochgeschwindigkeitszug Japans fahren! Traurig waren wir darüber allerdings nicht, denn der Shinkansen ist nicht nur unglaublich teuer, sondern vermittelt uns auch jedes Mal ein mulmiges Gefühl aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit.

Unsere Reise führte uns weiter auf die Halbinsel Izu, welche etwas südlich von Tokyo liegt. Dieser Ort wäre wohl nie auf unserem Radar gewesen, hätten wir nicht vor vier Monaten auf unserer Roller-Rundreise durch Taiwan die liebe Lee in ihrem Café in Tainan kennengelernt. Erinnert ihr euch noch an sie? Wir hatten ein fantastisches Gespräch mit ihr, und obwohl wir uns nur wenige Minuten kannten, fühlten wir uns sofort wohl in ihrer Gesellschaft (hier geht’s zum Blog). Prompt lud sie uns ein, sie im September in ihrem Ferienhaus in Japan zu besuchen. Und wie es der Zufall wollte, passte dieser Zeitraum perfekt zu unserer Reiseroute. So standen wir nun hier am Bahnhof Atami und wurden von Lee herzlich in Empfang genommen.

Café Kanoko in Mishima

Nachdem wir Lee begrüßt hatten, stiegen wir in den großen Transporter ihres Mannes. Gerade als wir dachten, wir wüssten, was uns erwartet – ein entspanntes Wochenende mit Lee und ihrem Mann Tei San – wurden wir beim Betreten des Transporters völlig überrumpelt. Sieben Taiwaner schauten uns mit großen Augen an und begutachteten uns von oben bis unten: ein älteres Pärchen, zwei junge Frauen, ein junges Mädchen, Lee und ihr Mann. “Darf ich vorstellen: mein Mann Tei San, seine alten Schulfreunde, zwei Bekannte aus dem letzten Skiurlaub und ihre 11-jährige Tochter.” Die Namen waren so kompliziert, dass wir uns neben Lee und Tei San keine weiteren merken konnten. Ich glaube, eine der jungen Frauen hieß Shanshan, wie der letzte Taifun.

Und so saßen wir nun in einem Transporter mit sieben Taiwanern, von denen nur Lee Englisch sprach, und rollten über den japanischen Highway. Genau solche Situationen bleiben uns am meisten im Gedächtnis. Kurioser hätte unser Wochenende mit Lee nicht beginnen können! 🙂

Noch am selben Tag fuhren wir zu einem Café. Lee, als Kaffee-Liebhaberin und Café-Besitzerin, nahm gern die zweistündige Fahrt auf sich, um mit uns das Café Kanoko in Mishima zu besuchen. Der Kaffee vor Ort war köstlich. Selbst ich, als überzeugter Anti-Kaffeetrinker, wurde schwach und genoss ein Schlückchen des hochwertigen Kaffees. Obwohl das Café nur noch 10 Minuten geöffnet hatte, durften wir bleiben und ein Pläuschchen mit dem Besitzer halten. Lee lud uns ein und machte sofort klar, dass wir das gesamte Wochenende ihre Gäste seien und keinen einzigen Cent, beziehungsweise Yen, ausgeben sollten. Wir waren noch etwas überfordert von dieser Großzügigkeit, wussten jedoch schon, wie wir uns revanchieren könnten… 🙂

Endlich mal wieder Gartenarbeit!

Lee hatte wirklich nicht zu viel versprochen! Ihr Ferienhaus glich eher einer Villa, die sich in den “Beverly Hills” Japans befand, wie wir das Gebiet liebevoll tauften. Das Haus lag auf einem Hügel, umgeben von vielen weiteren Ferienhäusern, mit einem atemberaubenden Blick auf den Pazifik. Eines stand fest: Wer hier lebt, hat Geld!

Zusammen mit Lee und ihren Freunden kamen wir spät am Abend an und bezogen unsere Zimmer im traditionell japanischen Stil. Wir haben so gut geschlafen wie lange nicht mehr. Trotz der relativ harten Futons auf dem Tatami-Boden genossen wir eine sehr erholsame Nacht, begleitet von einem wunderbaren Konzert nachtaktiver Tiere im Garten.

Frühstück a la Lee

Apropos Garten: Dort begann am nächsten Morgen unser Tag. Nach einem leckeren Frühstück à la Lee, das dem aus ihrem Café sehr ähnelte, machten Bruno und ich uns an die Gartenarbeit. Lee und Tei San kommen etwa zwei- bis dreimal im Jahr hierher und haben daher nicht genügend Zeit, den Garten zu pflegen. Außerdem sind sie nicht mehr die Jüngsten, und die Arbeit im Garten erfordert viel Kraft und Zeit. Da Lee uns so großzügig beherbergt und verköstigt hatte, sahen wir die Gartenarbeit als perfekte Gelegenheit, uns zu revanchieren. Tei San gab uns einen Rasenmäher und eine Heckenschere. Auf unsere Frage, wie er den Garten gern gestaltet hätte, lächelte er nur und meinte: “Ihr macht das schon!” OK! 😀 Weder Bruno noch ich hatten jemals eine Hecke geschnitten. Früher habe ich bei meinen Eltern nur zugesehen und den Verschnitt zusammengekehrt, und Bruno hatte nicht einmal eine Hecke. Wir waren also beide ziemlich ahnungslos, aber hey, was konnte schon schiefgehen? Auf los, ging’s los!

Vier Stunden später sah der Garten aus wie neu. Die jungen Frauen und das 11-jährige Mädchen halfen uns, die abgeschnittenen Zweige zusammenzukehren, Lee versorgte uns mit Tee, und Tei San tanzte zu unserer 80er/90er-Musik, die wir über eine Musikbox abgespielt haben. Leute, ich sage euch, das war eine Szene für die Ewigkeit! Wir, zum ersten Mal mit einer Heckenschere in der Hand, in Japan, zusammen mit Taiwanern, die nur Chinesisch sprachen! Ein Moment, den wir nie vergessen werden. Wir hatten so viel Spaß, und obwohl wir uns sprachlich kaum verständigen konnten, lernten wir uns an diesem Tag trotzdem besser kennen.

Nach der getanen Gartenarbeit ging es für uns alle zum Sushi-Essen. Wie auf einem kleinen Mini-Highway rollten die bunten Röllchen auf dem Fließband an uns vorbei, und man konnte sie einfach nehmen und genießen. Noch nie haben wir so gutes Sushi gegessen wie hier in Japan!

Anschließend besuchten wir einige Secondhand- und Antiquitätenläden. Am Abend gingen wir einkaufen, und Lee bereitete uns schnell ein leckeres Ramen-Gericht zu. An dieser Stelle möchten wir euch kurz etwas über die taiwanesische Esskultur erzählen, die der chinesischen sehr ähnlich ist. Nach dem Motto „Essen muss schnell gehen“, wird sich hingesetzt und sofort gegessen, ohne darauf zu warten, ob alle schon am Tisch sitzen oder jeder sein Essen vor sich hat. Und dann beginnt das Spektakel: Laut schmatzend und mit vollem Mund sprechend, wird das Essen schlingend eingenommen – es könnte ja kalt werden! 😀 Bitte versteht uns nicht falsch – wir haben großen Respekt vor den Kulturen anderer Länder. Es war einfach eine interessante Erfahrung, da diese Essgewohnheiten so anders sind als unsere! Neben dem Schmatzen und Schlingen wird uns aber vor allem eines in Erinnerung bleiben: das Rülpsen! Ohne Scheu wird direkt ins Gesicht gerülpst – beim Gespräch, beim Vorbeigehen in der Küche oder sogar mitten beim Essen. Halleluja! Wir mussten uns wirklich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen und unser Gesicht zu wahren. 😀

Andere Länder, andere Sitten… Wie hättet ihr reagiert?

Sonntagsausflug

Am nächsten Tag gab es für uns nichts mehr im Garten oder Haus zutun, uns stand also ein entspannter Sonntag bevor. Naja, so entspannt wie es mit Taiwanern eben sein kann. Lee und ihre Freunde sind nämlich sehr aktiv, was gut war, denn so wurden wir von unserer Aufregung auf die Wiederkehr nach Deutschland gut abgelenkt.

Nach leckerem Frühstück a la Lee, ging es auf Insel-Erkundungstour. Wir wanderten entlang der Klippen am Meer, besuchten eine Hängebrücke, machten eine Bootsfahrt durch eine Höhle und schauten uns hier in der Region hergestellte Produkte aus Glas an. 

Zum Abschluss Sukuyaki

An unserem letzten gemeinsamen Abend, zeigte mir Lee, wie man japanisches Sukuyaki zubereitet. Sukiyaki ist ein traditionelles japanisches Gericht, bei dem dünn geschnittenes Rindfleisch, Gemüse, Tofu und manchmal Nudeln in einer süß-salzigen Brühe aus Sojasauce, Zucker und Mirin (Reiswein) gekocht werden. Die Zutaten werden oft in einem flachen Topf direkt am Tisch zubereitet und in rohes, leicht geschlagenes Ei getunkt, bevor sie gegessen werden. Sukiyaki ist ein beliebtes Gericht, das häufig bei besonderen Anlässen serviert wird. Es machte mir große Freude, von Lee zu lernen und gemeinsam mit ihr in der Küche kreativ zu werden. Als alle Zutaten auf dem Tisch standen und die Brühe fertig zubereitet war, konnte das große Mampfen los gehen! Oh man, war das köstlich! Im Anschluss verbrachten wir den Abend mit Lee unten sehr intensiven Gesprächen über das Leben. Es ist unglaublich, wie schnell wir mit Menschen so tiefgreifende Themen besprechen können und was diese für einen wahnsinnigen Mehrwert für uns darstellen. 

Endlich mal wieder Bad putzen!

Am Abreisemorgen herrschte Trubel. Bevor es für uns mit dem Zug weiter in Richtung Tokyo ging und für den Rest auf die Fähre nach Hokkaido, musste das Haus geputzt, die Betten gewaschen und der Kühlschrank geleert werden. “Um 09:00 Uhr ist Abfahrt!” Sportliche Nummer, jedoch schafften viele Hände ein schnelles Ende! Während ich endlich mal wieder ein Bad putzen durfte (ihr erklärt mich jetzt sicherlich für verrückt, aber ich hatte so Freude daran!), saugte Bruno die Wohnung und der Rest verteilte im Garten die Wäsche. Den Rest regelte im Minutentakt die Sonne. Lee zauberte noch ein letztes Mal für alle ein Frühstück und dann ging es ab in den Transporter. 9 Menschen und 9 Koffer fanden gerade so Platz und die Fahrt zum Bahnhof konnte starten!

Als wir uns von Lee und ihren Freunden verabschiedeten, erfasste uns ein vertrautes Gefühl, das uns auf unserer 18-monatigen Weltreise schon oft begegnet war. Ein wilder Mix aus tiefer Dankbarkeit und Freude durchströmte uns – dafür, dass wir auf so wundervolle Menschen getroffen sind, die unser Leben so sehr bereichert haben und uns so viel beigebracht haben. Doch gleichzeitig stiegen uns Tränen in die Augen, denn der Abschied trug die leise Traurigkeit in sich, nicht zu wissen, ob wir diese Herzensmenschen jemals wiedersehen werden. Wir wünschen Lee, ihrem Mann Tei San und auch ihren Freunden alles erdenklich Gute für die Zukunft und auf das sie noch viele weitere tolle Momente gemeinsam kreieren können. 🙂 

Schreibe einen Kommentar

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner
Datenschutz
Ich, Gena-Lean Haiasch (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.
Ich, Gena-Lean Haiasch (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.