Hokkaido´s Höllental

 Plan B steht

Ja, unser Behördengang am ersten Tag verlief super, jedoch gab es direkt am nächsten Tag ein kleines Tief. Bei der Planung für die kommenden Tage und Wochen, bestätigte sich unsere Vermutung: beim Verlassen von Südostasien haben wir auch das günstige Paradies hinter uns gelassen. Eine Unterkunft für 10,00 Euro pro Nacht, eine Busfahrt für wenige Cent oder die Möglichkeit, schnell und günstig einen Roller zu mieten, war nun vorbei! All das machte die Reiseplanung nicht wirklich leichter, ganz im Gegenteil! Die Unterkunftssuche, die Routenplanung und das Zurechtkommen in einem recht untouristischen Bereich Japans, stellten uns vor neue Herausforderungen. Die Nerven lagen kurz blank, als wir nicht wirklich wussten, wie es ab morgen weitergehen sollte. Wir nahmen uns in die Arme und fanden gemeinsam einen Plan B. Wir glauben, genau diesen Tiefpunkt haben wir gebraucht, um nochmal zu realisieren, dass es immer einen Weg gibt und wir alles gemeinsam bewältigen können. Wir entschieden uns gegen das völlig überteuerte Furano, einem Ski- und Wanderort, der besonders jetzt zur Feriensaison einfach 3 Mal so teuer ist, wie normalerweise. Der Plan stand also fest: auf nach Noboribetsu! Einem Ort fern ab vom Touristenradar mit genau einer einzigen bezahlbaren Unterkunft: dem AKA & AO Hostel.

Wo geht’s denn jetzt lang?

Drebkau, bist du es?

Bei unserer Ankunft in Noboribetsu, stellte sich heraus, dass es sich hierbei um einen wirklich sehr kleinen Ort handelte. Überraschenderweise gab es hier jedoch ziemlich viel: einen eigenen Bahnhof, eine Touristeninformation, einen Park, drei Restaurants und Softeis, welches zufällig von unserem Hostel aus verkauft wurde. Irgendwie erinnerte uns der Ort an Drebkau, da er schon ziemlich in die Jahre gekommen war und einige Gebäude leerstehend sind, dennoch gibt es hier so Einiges zu erkunden, was vielen wohl gar nicht bewusst ist. 

Das AKA & AO Hostel war eine tolle Wahl. Wir verbrachten insgesamt 10 Tage hier, in denen wir die lieben Mitarbeiter des kleinen Unternehmens kennenlernen konnten und uns so richtig zuhause fühlen durften. Auf dem Bild seht ihr eigentlich alles, was das Hostel zu bieten hat: ein kleines Café, welches gleichzeitig auch den Eingangsbereich darstellt und oben drüber das Schlafzimmer mit Doppelstockbetten aus Holz. Alles war mit viel Liebe dekoriert und super sauber – wie auch sonst bei den Japanern. 🙂 

 Radtour zum Eingang der Hölle

Im Hostel gab es nicht nur Frühstück inklusive, sondern auch Fahrräder, die man sich ausleihen konnte. Das spielte uns in die Karten, da es uns bereits in den Fingern kribbelte, das Land der Oni zu erkunden. Was ein Oni ist? Der japanischen Mythologie zur Folge, herrschen diese Oger-ähnlichen Unholde über die Region um Noboribetsu. Ihnen gehört das umliegende Land zum Eingang der Hölle. Die Vorstellung reicht dabei vom einfachen neutralen Geist eines Verstorbenen über grimmig-dumme Unholde bis zu abgrundtief bösen, unbarmherzigen Dämonen. Berühmt ist dabei die Darstellung eines Oni mit einer Eisenkeule und mit einfachem Lendenschurz bekleidet. Die Angst vor ihnen geht teilweise so weit, dass Gebäude eine extra L-förmige Einbuchtung in Richtung Nordosten zeigend besitzen, um vor Oni-Angriffen geschützt zu sein. Mit dieser Himmelsrichtung wird auch der Ursprung der Oni angegeben. Ganz nach dem Motto “Sehe deinen Feind als Freund an, dann tut er dir nichts”, versuchen die Japaner die Oni zu respektieren, indem sie Oni-Statuen aufstellen, Feste feiern und den Eingang zur Hölle als heiligen Ort betrachten. Die Stadt war also voll mit Oni-Figuren, die einem den Weg zur Hölle zeigen. Genau diesen Hölleneingang haben wir heute mit dem Fahrrad besucht. 

Der Eingang zur Hölle, auch Hokkaido´s Hell Valley genannt, wurde vor vielen Jahren durch die Eruption eines der vielen hier vorkommenden Vulkane geformt und gilt seit 1924 als Nationalpark. Eine surreale Landschaft aus rostigem, orangefarbenen und weißem Felsgelände, worin sich heiße Quellen mit reichhaltigem Schwefelvorkommen befinden. 

Der Ort macht seinem Namen alle Ehre. Schwefelbäche, Dampfquellen und heiße Luft direkt neben einer artenreichen Pflanzenlandschaft machen diesen Ort zu einem interessanten Erlebnis. Im Nationalpark gibt es einige Wanderwege, die man definitiv alle abgrasen sollte, da sich hinter jedem eine andere Faszination befindet. Zunächst ging es für uns zum brodelnden Kessel, wo man vor lauter Schwefelgeruch (stellt euch den Geruch verfaulter Eier vor) kaum aushalten konnte.

Puh, das stinkt!

Die Wanderung führte uns bis zum Ursprung der Schwefelbäche – zum Oyunuma Krater, der sich hoch oben direkt am Vulkan befand. Der Kratersee ist 22 Meter tief und am Boden ganze 130 Grad heiß, an der Oberfläche jedoch nur noch 50 Grad. Diese heiße Quelle ist für die Menschen hier in der Region von besonderer Bedeutung, da sie die lokalen Bäder (im japanischen Onsen genannt) mit mineralhaltigem Wasser füllt. Ein Onsen-Besuch stand uns noch bevor, aber auch darüber wollen wir euch schon bald berichten!

Schwefelbach ins Tal
Oyunuma Kratersee

Am Ende der Wanderung gönnten wir unseren Füßen ein kleines Fußbad. Normalerweise sind wir eiskalte Gletscherbäche gewöhnt, doch heute tunkten wir unsere Füße in ein 55 Grad heißen Bach. Etwas ungewohnt, aber irgendwie total angenehm!

Haben wir eigentlich schon erwähnt, dass unsere coolen Räder einen E-Antrieb besitzen? Somit kamen wir das erste Mal in den Genuss eines E-Bikes, was bei den steilen Anstiegen gar nicht mal so schlecht war, jedoch ein komisches Gefühl hervorrief, plötzlich einen Schupser zu erhalten. Wir werden alt! 😀

 

Plötzlich nackt im See

Nachdem uns die Oni sicher und ohne Verbrennungen aus dem Höllental entlassen hatten, ging es nochmal ordentlich steil die Berge hinauf und umso schneller wieder hinunter. Plötzlich kamen wir an einem See vorbei, der uns etwas verwunderte. Die Kulisse erinnerte uns an Kanada, jedoch könnte er genauso gut auch in Deutschland sein, mit einem gravierenden Unterschied: keine Menschenseele! Wir fanden lediglich ein Häuschen mit einem Kanuverleih vor, jedoch war niemand auf dem See. Komisch… an einem sonnigen, heißen Samstagnachmittag wird dieser Ort doch zu einem reinen Erfrischungsparadies? Umso besser für uns! So konnten wir ungestört in den eiskalten See hinein springen. Zwar hatten wir weder Badehose, noch Handtuch dabei, aber das hinderte uns nicht an einer angenehmen Abkühlung! 🙂 

Oh man, tat das gut! Heute haben wir wieder gemerkt, wie sehr uns genau dieses Klima gefehlt hat. Angenehme 25 Grad, eine frische Brise, Wiesen, Wälder und klare Seen zum Schwimmen. Genau das, was wir jetzt gebraucht haben! 

Den Abend verbrachten wir im Hostel, wo wir endlich das leckere Softeis probierten. Es wird aus frischer Noboribetsu-Milch hergestellt, die man beim Schleckern wirklich herausschmecken kann! Kleiner Fun Fakt am Rande: Die zwei Mitarbeiter des Hostels sind ungelogen von früh bis spät mit der Eismaschine beschäftigt. 😀 Ständig muss sie gereinigt, gewartet oder aufgefüllt werden, aber es scheint sich zu lohnen, zumindest kommen viele nur wegen des guten Softeis genau hier her! 

Noboribetsu hat uns komplett überrascht! Wir haben uns so wohl gefühlt, dass wir unseren Aufenthalt verlängerten und ein Auto mieteten, um die Gegend noch mehr zu erkunden. Oh je, das erste Mal Linksverkehr im Auto – ob das gut ging, erfahrt ihr in den kommenden Beiträgen. Bis dahin, lasst euch auch euer Eis im sommerlichen Deutschland oder an unsere fernen Lesen auch in den USA und Kanada schmecken! 🙂

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