Hue – hier lässt’s sich´s leben!

Die meisten Menschen reisen nach Hue, um sich die noch heute gut erhaltene Kaiserstadt aus dem 19. Jahrhundert anzuschauen. Hue war, was viele nicht wissen, einst sogar die Hauptstadt Vietnams (1802 – 1945). Da sie so ziemlich genau in der geografischen Mitte des Landes liegt, bot sie einen guten Ausgangspunkt in alle Richtungen. Die Entfernung zu den südlichen sowie nördlichen Regionen ist in etwa dieselbe, das Nachbarland Laos zum Westen ist auch nur knappe 100 km entfernt. Außerdem hat Hue das Glück direkt am südchinesischen Meer zu liegen, was jedes Jahr viele Einheimische zum Strandurlaub einlädt. Dank einiger Universitäten hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren stark entwickelt und wurde zum modernen Vorreiter in der Region Zentralvietnam. Beim Spaziergang durch die Stadt haben wir ein schönes Miteinander der Einheimischen wahrgenommen. Menschen aller Altersgruppen treffen sich zum Fußball spielen auf den Parkwiesen, machen am Fluss gemeinsam Sport oder fahren am Abend mit kleinen bunten Fahrzeugen auf den freien Plätzen herum. Egal was sie auch machen, sie machen es gemeinsam und sehen dabei so glücklich aus. Die Straßen sind belebt, überall flanieren Menschen, schauen Fußball in den Bars oder spielen Karten in den Cafés.

Fußball verbindet, nicht wahr?

Audioguide im Schlafrock 

Insgesamt haben wir drei Tage in Hue verbracht. Direkt am ersten Tag schlüpften wir in unsere treuen Reiseturnschuhe und erkundeten mehrere Stunden die Stadt. Die meiste Zeit davon besuchten wir den alten Kaiserpalast, der sich, von einer Mauer und einem Graben umringt, im Norden der Stadt befindet. Mit 12,00 Euro pro Person (davon 4,00 Euro für den Audioguide) ist dieser Eintritt verhältnismäßig teuer für Vietnam. Doch es gibt auf dem gesamten Areal so viele alte Gebäude, die noch heute restauriert und gepflegt werden, dass es sich lohnt, hier den Tag zu verbringen. Man taucht ein in eine Welt, die so heute nicht mehr existiert, erfährt mehr von alten Bräuchen und dem Leben des Kaisers und seinem Volk. Hängen geblieben sind uns jedoch nur wenige Eckpunkte, da der deutsche Audioguide von einer jungen Frau aufgenommen wurde, die wohl noch im Bett lag und zum ersten Mal ihr Manuskript laß. Es fiel uns schwer, ihren Worten Folge zu leisten. Doch das war ok, denn einige Gebäude sprachen für sich und wir waren fasziniert von den prunkvollen und detailgetreuen Fassaden, Torbögen und liebevoll angelegten Gärten voller Bonsais. 

Eingang in die Kaiserstadt

Neben ein paar ausländischen Touristen, waren es jedoch vor allem Einheimische, die in traditionellen Kleidern die kaiserliche Kulisse bei untergehender Sonne als Fotomotiv nutzten.

Der wachende Drache

Am nächsten Tag haben wir uns einen Roller geliehen. Der Roller ist und bleibt wohl unser Lieblingsfortbewegungsmittel in Asien. Man kommt mit ihm einfach gut und günstig von A nach B. Für diesen Roller zahlten wir für einen Tag 3,00 Euro Mietkosten und 2,00 Euro Sprit.

Am Rand der Stadt befindet sich ein Wasserpark, den wir besuchen wollten. Jedoch gehören Kinderlachen, Planscherei und Spaß hier der Vergangenheit an. Der marode Wasserpark wurde 2004 mit umgerechnet ungefähr 2,5 Millionen Euro erbaut, doch die Lage so nah am Dschungel brachte nie die gewünschte Besucherzahl, sodass der Park nach wenigen Jahren wieder schließen musste. Heute lockt er dafür umso mehr Besucher an, die sich die mit Graffiti übersäte Ruine anschauen und in den Schlund des Drachens, der über dem kugelförmigen Hauptgebäude wacht, klettern. Neben diesem coolen Fotomotiv gibt es entlang es kleinen Sees noch alte Rutschen,  Kinderplanschbecken und andere Gebäude zu besichtigen. Auf jeden Fall einen Besuch und Spaziergang um den See wert! Doch Vorsicht! Einheimische versuchen an manchen Eingängen einen Eintritt zu verlangen, doch wofür? Wir lehnten dankend ab und da sie wussten, dass sie hier illegal Geld einnehmen, ließen sie uns auch ohne Gebühr passieren. 

Unsere Rollertour führte uns weiter ins Umland von Hue. Im Gegensatz zum urbanen Kern, sind die benachbarten Orte und Dörfer noch recht autark unterwegs. Die Menschen hier leben von der Landwirtschaft, welche zu 80 Prozent aus Reisanbau besteht. Als wir mit dem Roller zum Meer fuhren, wurde wir Zeuge von der bereits in vorherigen Beiträgen erwähnten „burning season“ (dt.: Brennsaison), wo die Bauern mit gezielt gelegten Feuern ihre Felder nach der Ernte niederbrennen. Schon oft haben wir Rauch gesehen und gerochen, doch noch nie waren wir so nah am Geschehen und konnten sogar die Flammen sehen! 

Hier sieht man, wie der Reis auf den Straßen getrocknet wird.

Gezielte Feuer unter Beobachtung des Bauern.

Ein leerer Sandstrand 

Als wir am Ende unserer Spritztour das Meer erreichten, freuten wir uns, erstmals die Füße ins südchinesische Gewässer zu halten. Doch vorher mussten wir den Strand erstmal finden! Wir fuhren durch ein sehr ärmlich wirkendes Dorf, wo es wohl keinen Bewohner gab, der die zwei weißen Menschen auf dem Roller nicht wahrnahm. Die Kinder winkten uns zu, riefen „Hello!“ und die Männer am Straßenrand betrachteten uns skeptisch von oben bis unten. „Ist es hier sicher für uns?“ Diese bedenkliche Frage haben wir schon lange abgelegt. Mit einer gesunden Vorsicht vertrauen wir den Menschen und erweisen ihnen auch unseren Respekt und unsere Dankbarkeit hier sein zu dürfen. Bisher haben wir nie eine schlechte Erfahrung machen müssen, die uns in Gefahr brachte. 

Wir parkten unseren Roller an einem schmalen Sandweg, der direkt über die Dünen zum Meer führte. Bis auf ein paar Fischern, die ihr Netz aus dem Meer holten, Kindern die im Sand Fußball spielten und dem ein oder anderem Krebs, waren wir ganz allein. Die nächsten Stunden genossen wir mit Buch lesen, Kniffel spielen, quatschen und ins Meer springen. Was für eine schöne, kleine Auszeit… 

Bevor es zurück zur Unterkunft ging, hatten wir noch ein spontanes Videotelefonat mit meinen Eltern und unserem kleinen Neffen Matheo. Er ist gerade vier Jahre alt geworden und auch wenn er vielleicht noch nicht ganz versteht, warum wir plötzlich weg sind und wir uns nur noch über diesen kleinen Bildschirm sehen können, konnten wir ihm ganz viel zeigen. Er war ganz begeistert von den Fischern, den kleinen Holzbooten und den Löchern im Sand, in denen sich die kleinen Krebse versteckten. Doch als wir zum Roller zurückkehrten und dort plötzlich eine Horde Kindern auf uns warteten, war er ganz erschrocken und hat nicht verstanden, warum die Kindern so laut auf uns zu kamen, mit einer Sprache, die er nicht kannte. Ich wünschte, ich könnte ihm all das noch besser erklären und er würde verstehen, was wir hier alles erleben und wie uns die Zeit hier verändert hat. Doch dafür ist er noch zu klein. Umso mehr freue ich mich auf die Zeit, wo ich mit ihm zusammen reisen und ihm die Welt zeigen kann. Er wird sie lieben, da bin ich mir sicher. 

Morgen geht unsere Zugfahrt weiter, diesmal erwarten uns nur drei Stunden und dann erkunden wir schon das nächste kleine Zwischenziel: Dong Hoi, wir kommen! 

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